Leini ist ein Mischling aus Rumänien. Sie ist so ziemlich der intelligenteste und triebigste Hund, den ich kenne. Falls dir der belgische Schäferhund ein Begriff ist, dann kannst du dich daran orientieren. Um dir einen Eindruck von ihrem Energielevel zu machen, lies die folgende Geschichte:
Früh morgens haben wir über eine Stunde Suchspiele (auch auf Baumstammstapeln), Apportieren, Zerren und Rennen gemacht. Mittags waren wir über drei Stunden (eher vier) draußen. 2h davon waren mein eigenes Training (Sprintintervalltraining) in den “Bergen” (der Teutoburgerwald). Währenddessen hat sie noch ein klein wenig Futterbeutelsuche gemacht. Abends dachte ich, sie hätte genug. Aber wir haben einen befreundeten Hund, einen jungen Cane Corso, getroffen. Den hat sie dann noch platt gemacht. Natürlich ist sie nicht stärker. Aber sie haben sich solange gerauft und gejagt, bis der Cane Corso aufgegeben hat.
Das habe ich so noch nicht erlebt. Wenn sie so fertig ist, dass sie innerhalb von Sekunden einschläft, genügt ein Wort und sie hat Bock weiterzumachen. Bisher – sie ist kurz vor zwei Jahren alt – habe ich es noch nie erlebt, dass sie zu erschöpft war, um sich zu motivieren.
Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich sie niemals genommen. Sie hat einen enormen Außenfokus. Ich habe nur einen Wunsch, eine Anforderung an meinem Hund: Bleib bei mir innerhalb von 10–20 Metern. Dabei ist mir egal, ob ich nun viel oder wenig machen muss. Ich bin gerne aktiv mit dem Hund unterwegs. Aber einen so aufgedrehten, unermüdlichen und anspruchsvollen Hund hätte ich nie genommen. Nun ist er Schaden angerichtet und ich lebe damit.
Meine persönliche Theorie ist, dass sie in der Seele ein waschechter hochtriebiger Arbeitshund im Stile der belgischen Schäferhunde ist, während sie gleichzeitig noch viel Terrier in sich trägt. Ihr Verhalten ist das Resultat eines Workaholics, der in der eigenen Scheiße im Käfig verrückt wird. Sie hat immer Bock etwas zu machen, liebt die Arbeit und lernt fürchterlich schnell. Doch sie hat auch gelernt, dass sie sich laufend selbst Aufgaben geben muss, um nicht den Verstand zu lernen.
Der Vorteil für mich ist, dass sie nur sehr wenig Angst hat. Mit wenigen Wiederholungen habe ich sie auf einen 10 Meter Turm mit offenen Treppen mitnehmen können. Der Nachteil ist: In den ersten Monaten hat sie meine Wohnung randaliert. Gegen alles Geschimpfe und Strafen hat sie versucht die Blumenerde aus dem Töpfen zu wühlen, hat mir ein Loch ins Sofa gefressen und versucht so ziemlich jedes verfügbare Kleidungsstück zu zerkauen. Draußen hat sie auf jeden noch so kleinen Reiz reagiert und wurde durch Ermüdung nicht ruhiger, sondern nur noch aufgedrehter.
Meine aktuelle Frage ist, ob ich einen solchen Hund mit meinem Leben wirklich vereinbaren kann. In einer perfekten Welt wäre sie als Welpe als Diensthund oder Sporthund aufgezogen worden. Die Kombination aus ihrer Intelligenz, Schnelligkeit und Beharrlichkeit ist erstaunlich. Doch für den Alltag äußerst hinderlich.
Siehe auch meine Darstellung der Unehrlichkeit des Tierschutzes.
Vorbemerkung: Das Nachfolgende ist direkt aus dem Tagebuch entnommen, das ich für sie führe.
Leini lernt allmählich gestreichelt zu werden. Das klingt erstmal komisch, doch es war für sie sehr schwierig gestreichelt zu werden.
Anfangs konnte sie es kaum 5 Sekunden ertragen. Dann wurde es zu viel, dass sie an einem herumbeißen musste. Im Nachhinein würde ich sagen, dass es nicht aggressiv war, aber ich traue meiner Erinnerung nicht. Es könnte schlicht und ergreifend sein, dass sie bloß eine hohe Beißhemmung hatte und daher irgendwie die Hand kontrollieren wollte.
Doch Kontaktliegen hat sie von Anfang an geschafft. Aber mein Eindruck war eher, dass es für sie eine Frage der Bequemlichkeit war. Auf dem Sofa nämlich hat sie sich lieber in eine Ecke verzogen und dort eingerollt. Das passt auch zu ihrer damaligen Körpersprache: Sie hat nur sehr selten und auch bei eher hoher Erschöpfung offen auf der Seite gelegen. Gewöhnlich war sie auch bei Hitze eingerollt.
Mit der Zeit konnte sie länger gestreichelt werden. Rückblickend hat sie es zu der Zeit vielleicht gelernt zu ertragen. Ob es aus ihrer Perspektive übergriffiges Verhalten, der Reiz zu intensiv und überfordernd oder etwas anderes war, kann ich nicht sagen.
Aktuell – nach ca. 9 Monaten – habe ich den Eindruck, dass sie ein kurzes Streicheln draußen mittlerweile als positive Rückmeldung versteht. Nicht, dass sie draußen Streicheleinheiten mag.
Manchmal legt sie sich neben meinen Schreibtisch offen auf den Rücken. Eine Möglichkeit ist, dass sie dies macht, um meine Aufmerksamkeit einzufangen. Ich kann nicht sagen, warum sie damit angefangen hat, aber aktuell belohne ich dieses Verhalten immer, wenn es mir auffällt. Gott sei Dank habe ich ein gutes peripheres Sehen. Mein Ziel ist es, dass sie lernt, sich körpersprachlich zu öffnen, und sie für einige Verhaltensweisen durch körperliche Zuwendung belohnt wird. Es ist eigentlich ein seltsamer Gedanke, weil man (ich zumindest) davon ausgehe, dass körperliche Zuwendung an und für sich positiv ist oder zumindest von einem inneren Impuls heraus bewertet wird. Doch Liebe zu empfangen muss gelernt werden, das ist bei uns Menschen schließlich nicht anders.
Ich habe spürbaren Erfolg.
Meine Methode, Lëini das Prinzip des Gestreichelt-Werdens zu vermitteln, ist dabei ganz einfach. Immer, wenn sie sich körpersprachlich öffnet, schenke ich ihr Aufmerksamkeit und körperliche Zuwendung. Dabei achte ich immer darauf, dass ich sehr ruhig bin und alles vermeide, was bei ihr zu Aktivität führt. Liegt sie beispielsweise auf dem Rücken, kann ich sie nicht zu hoch auf der Brust anfassen, weil sie dann dem Impuls meine Hand ins Maul zu nehmen nachgibt. Ich breche die Interaktion lieber ab, bevor Lëini anfängt, aktiv zu werden.
Wichtig für mich wird wahrscheinlich werden, dass ich eine Exitstrategie brauche. Ich sehe die Gefahr, dass dies aus Lëinis Perspektive so aussieht, als müsste sie nur Aufmerksamkeit und Zuwendung fordern, während ich gehorche.
Ich muss aufmerksam sein. Aber solange ich noch Unterordnungstraining mit ihr mache, sollte ich generell auf der eher sicheren Seite sein.
Wir sind gerade vom abendlichen Spaziergang nach Hause gekommen. Leini ist noch etwas unruhig. Seit einer Woche oder zwei hat sie Schwierigkeiten Abends zur Ruhe zu kommen. Ich vermute, dass das einfach daran liegt, dass es wieder viel zu verarbeiten gibt. Aber sie sucht ständig nach meiner Aufmerksamkeit.
Sie stupst mich an, legt den Kopf auf meinen Schoß (am Schreibtisch), schmiegt sich an meine Beine und wartet auf etwas. Und da ist es passiert. Sie hat sich unter meine Füße gelegt und ich habe sie gestreichelt. Jetzt wird sie gerade etwas aufdringlich. Sie sucht irgendwie nach Möglichkeiten, dass ich sie streichle.
Sie liegt gerade zu meinen Füßen auf dem Boden. Sie wählt den unbequemen harten Boden, was sie sonst nie macht, um in meiner Nähe zu sein, um gestreichelt zu werden.
Gerade habe ich sie für einen kurzen Augenblick in den Schlaf gestreichelt. Zwei Dinge sind ganz wichtig:
Leini lernt allerei Unnützliches. Es ist nichts weiter als Beschäftigung und Auslastung aber auch die Arbeit an der Kommunikation zwischen uns. Nachfolgend ist das Kommando immer fett markiert und nachfolgend ihr Verhalten beschrieben.
Alles, was mir bei der Erziehung von Leini geholfen hat.